Orthodoxes Mönchtum

Mönchtum und Welt

„Nicht von dieser Welt sein“ bedeutet nicht Weltfremdheit, Lebensfremdheit oder gar Lieblosigkeit. Im Gegenteil. Die Welt als Schöpfung Gottes ist gut und wunderschön. Alles, was Gott schenkt, ist Ausdruck Seiner unendlichen Liebe und Güte.

Das mönchische „fliehe die Welt“ ist nicht manichäische Weltverachtung, nicht pseudognostischer Dualismus von Geist und Materie, sondern bezieht sich auf die grundsätzliche Abkehr von den Fälschungen des Lebens, von der Sünde, d.h. vom Zustand der Trennung von Gott. Es geht nicht um Ablehnung der Schöpfung, sondern um tiefste Liebe in jeder Hinsicht, die sich darin ausdrückt, daß alles neu mit Gott verbunden, neu geheiligt und vom göttlichen Geist der All-Liebe durchdrungen wird. „Bereitet dem Herrn ein heiliges Fest und bindet es an die Hörner des Altars“ heißt es im Psalm (Septuaginta 117, 29). Damit ist gemeint, daß das ganze Leben, die ganze Schöpfung in einem heiligen Fest mit Gott verbunden wird. Alles Irdische wird exemplarisch Gott dargebracht und gewinnt dadurch neues, ewiges Sein; alles ist nun „in Gott“. Das ist der Sinn des mönchischen Selbstopfers und der ganzen mönchischen Lebenskultur. So ist das Mönchtum das stärkste Zeichen der Ewigkeit in dieser Welt.

Von dort her geschieht wiederum eine Teilhabe, eine Wirkung in die Welt, die aber nicht mehr den Gesetzen der gefallenen Welt unterliegt, nicht im Kreislauf des Äußeren gefangen ist, sondern in Gott gründet und von Ihm her wirkt. Daher geschieht durch sie Heiligung und Heilung der Welt. Das äußert sich z.B. in der Schönheit und Heiligkeit des Gottesdienstes, des Heiligtumes, der Gartenanlagen, im Schaffen sakraler Kunst, in Gesang und Gebet, im ganzen Leben und Sein. Alles wird vom Licht der Ewigkeit, vom Licht der heiligen Dreifaltigkeit durchdrungen.

Es ist wie ein Hebel. Wenn ich einen schweren Stein hochheben will, um ihn z.B. in eine Mauer einzusetzen, brauche ich einen langen Hebel. Wenn ich selbst auf dem Stein stehe, kann ich ihn nicht heben. Wenn ich aber auf einem anderen festen Grund stehe und einen guten Hebel habe, kann ich jeden Stein dorthin bewegen, wo er sein soll. Das ist ein schönes Bild für das Wirken des Mönches. Heilung, Heiligung und Segnung der Welt ist aus der Welt selbst heraus unmöglich. Nur von außen, von einem anderen Standort her, eben aus der Ewigkeit, kann dies geschehen. Das Wunderbare aber ist: der Zugang zur Ewigkeit liegt nicht irgendwo im räumlich-zeitlichen außen, weit weg, sondern ganz tief innen im Herzen des Menschen und im Sein und Tun hier und jetzt. Alle irdischen weltlichen Vorstellungen und Ideologien kommen da nicht weiter. Weil der Mönch „außerhalb“ der Welt, in der Ewigkeit steht, vermag er von dort her die Welt zu heben und zu bewegen. Er sagt nicht „Ihr müsst alle herkommen und mir gehorchen“, er ist weder Moralist noch Ideologe. Aber er steht auf dem festen Fels des Glaubens, ganz in Gott, und feiert das heilige Fest des ewigen Lebens. Und er feiert es hier in dieser Welt, in einem Heiligtum, sei es groß oder klein, bedeutend oder unbedeutend, wo jeder aufrichtig Suchende finden kann.